Coronageschichten und Wortperlen

Kreative Texte aus dem Deutschunterricht

Corona zwingt uns in die Vereinzelung – dem haben wir ein gemeinsames Forum auf unserem internen Netz entgegengesetzt. Dort wurde während des ersten Lockdown im vergangenen Jahr täglich eine Corona-Geschichte von Studierenden veröffentlicht. Während des zweiten Lockdown im Dezember und Januar freuten wir uns dann täglich über eine Wortperle. Studierende machten sich auf eine Expedition in den Wörterdschungel und entdeckten Wörter, besondere, schöne, noch nie zuvor gehörte oder seit Langem geliebte. Deren Geschichten erzählten sie.

Aurorafalter

Ich sitze draußen im Garten und sonne mich ein bisschen. Es sind angenehme 30 Grad und ab und zu geht ein leichter Wind, der mich abkühlt. Ich setzte mich auf, um mir mein Trinken zu nehmen, das neben mir steht, da sehe ich einen Aurorafalter. Er setzt sich auf einen Narzissenstrauch, um sich ganz genüsslich am Nektar zu bedienen. Ich beobachte ihn dabei und denke mir, wie schön es sein kann, ein Aurorafalter zu sein. Ich verbinde mit dem Namen das Märchen Dornröschen und wie schön die Prinzessin doch war. Der Schmetterling hat wie die Prinzessin aus dem Märchen rosa Flügel mit gelben, wenn nicht sogar goldenen Punkten darauf. Er scheint es dort in der Sonne zu genießen, genauso wie ich. Ich nehme immer wieder kleine Schlücke von meinem Getränk und beobachte weiterhin den Schmetterling, wie er dasitzt und seinen Nektar genießt. Als er wegfliegt, beschließe ich, mich auch wieder hinzulegen und weiter die Sonne zu genießen. Aber dieser Schmetterling geht mir nicht mehr aus dem Kopf, wie er dasaß, schon fast königlich, wie die Prinzessin Aurora aus dem Märchen. Ich denke zurück an meine Kindheit und wie schön diese doch war…wie gern wäre ich wieder Kind, damals hatte ich keine Verpflichtungen und konnte den ganzen Tag draußen verbringen und spielen, wie schön es doch war…

Jessika Kremser

Plaudertäschchen

Vor noch nicht allzu langer Zeit bin ich einer alten Dame begegnet. Eine für ihr Alter sehr gepflegte Frau mit einem schönen Kostüm in taubenblau und einem passenden Hut mit einer spitzenbesetzten Krempe, unter der schneeweiße Haarspitzen hervorschauten.

Sie trug schwarze Samtschuhe mit Straßsteinen verziert, die denen einer Ballerina glichen. Einfach Wunderbar!

Ich musste tatsächlich mehrmals hinschauen, um wahrzunehmen, dass ich nicht in einem Märchenfilm gelandet war und gerade vor der Hauptakteurin stand…

Die Dame stand also in der Nähe der U-Bahn Station „Lilienthalallee“ und kramte in ihrer, ebenfalls sehr auffälligen Tasche, die bestimmt schon vieles erlebt hatte.

Sie fiel mir auf, weil rundherum geschäftiges Treiben war und die Dame auf mich eine besondere Ruhe ausstrahlte. Ich blieb stehen und beobachtete, was sie machte und vor allem nach was sie suchte.

Nach einiger Zeit ging ich eine paar Schritte auf sie zu und fragte.

„Entschuldigung, kann ich Ihnen helfen?“

Die Dame hob den Kopf und schaute mich etwas verdutzt an.

„Oh, nein danke. Es ist alles in Ordnung, ich suche nur etwas und kann es nicht finden.“

„Kann ich ihnen irgendwie dabei helfen?!, fragte ich.

„Ach ja“,sagte die Dame, „das wäre lieb von Ihnen, ich suche die Wörter, die müssen in meiner Tasche irgendwie verschwunden sein.“

Ich war etwas erstaunt! Ich hatte schon alles Mögliche in meiner Tasche gesucht, aber noch keine Wörter..

Die Dame schaute mich plötzlich sehr traurig an und sagte: „Wissen Sie, ich habe so gerne mit meinem Mann geredet. Wir haben diskutiert, Neuigkeiten ausgetauscht, gestritten, Späße gemacht. Ich hatte immer etwas zu erzählen, zu jeder Tages- und Nachtzeit! Und jetzt ist er nicht mehr da. Es ist nun alles so ruhig und die vielen Wörter sind scheinbar einfach verschwunden. Ich dachte, sie sind vielleicht in meiner Tasche, die mich schon mein Leben lang begleitet. Mein Mann nannte mich immer Plaudertäschchen. Das mochte ich sehr.“

„Oh, das tut mir sehr leid“, entgegnete ich mitfühlend. „Ich kann verstehen, dass alles viel zu ruhig ist, jetzt wo Sie alleine sind.“

Ich suchte nach einer Lösung für das Problem und schlug der Dame vor mit mir einen Kaffee trinken zu gehen.

„Was halten Sie davon, wenn wir ins Kaffee am Torbogen gehen, ein wenig plaudern und Ihre Tasche wieder mit Wörtern füllen?“

Die alte Dame strahlte und sie bekam leicht rote Bäckchen, so freute sie sich.

„Oh, ja sehr gerne, das ist eine schöne Idee von Ihnen.“

Ich freute mich auch darauf, von dieser zauberhaften alten Dame mehr zu erfahren und mit ihr Zeit zu verbringen.

Und so saßen wir beide lange im Kaffee am Torbogen – es war schon fast dunkel – und plauderten über alles, was uns so einfiel.

Am Ende war nicht nur die Tasche der alten Dame wieder prall gefüllt mit Wörtern, auch meine Taschen waren voll! Seit dieser Begegnung haben wir immer noch regelmäßigen Kontakt – das Plaudertäschchen und ich.

Kathrin Hüttner

naseweis

Ich stieß auf das Wort „naseweis“ vor einigen Jahren. Jedes Jahr besuchen wir meine Oma in Rumänien, die eigentlich kein Deutsch spricht. Allerdings erinnert sie sich an einige deutsche Wörter aus ihrer Kindheit, denn die Eltern meiner Oma beherrschten die deutsche Sprache. Als ich ungefähr acht Jahre alt war, stritt ich mich einmal mit meiner Oma. Es war natürlich nichts Schlimmes, aber ich war zu stur und wollte meine Ansichten durchsetzen. Über was wir uns gestritten haben, kann ich mich leider nicht mehr erinnern, doch sie sagte auf einmal zu mir: „Du – ein naseweises Kind!“ Ich hatte keine Ahnung, was dies bedeutete. Auf jeden Fall wusste ich, es war nichts Nettes, denn sie hatte es im Streit gesagt. Für mich war dieses Wort daher nicht weiter interessant, aber vergessen habe ich es auch nicht.

Als wir nun die Aufgabe bekamen, Wortperlen zu suchen, erinnerte ich mich sofort an dieses Wort. Also suchte ich seine Bedeutung. Ein naseweises Kind ist ein besserwisserisches Kind oder ein Klugscheißer.

Dabei stieß ich auch auf etwas, was nun erst für mich Sinn ergibt: Ihr kennt doch bestimmt Tinkerbell, die temperamentvolle süße Fee mit den blonden Haaren und dem grünen Kleid. Sie ist ein Hauptcharakter in den Disney-Filmen von Peter Pan und hat sogar ihre eigene Filmreihe. Ihre Persönlichkeit zeichnet sich besonders durch ihren Ehrgeiz, ihren Fleiß und ihre Sturheit aus. Sie gibt niemals kampflos auf. Als Kind habe ich die Filme von Tinkerbell gesehen und kannte natürlich den Namen Tinkerbell. ABER: In den Peter-Pan-Filmen wird sie tatsächlich „naseweis“ genannt. Könnt ihr euch vorstellen, warum?

Larissa Wachter